Rekordzahl an Zulassungen der EMA: 114 Medikamente
Ein Blick auf die Zulassungen von Wirkstoffen in Europa und den USA zeigt Ähnlichkeiten und deutliche Unterschiede für das vergangene Jahr. In Europa wurden erstmals mehr als doppelt so viele Medikamente zugelassen wie in den USA (ganz korrekt sollte man sagen: zur Zulassung empfohlen).
Der Ausschuss für Humanarzneimittel der EMA (CHMP) empfahl 2024 die Zulassung von insgesamt 114 Arzneimitteln. Dies stellt die höchste Zahl an positiven Stellungnahmen in den vergangenen 15 Jahren dar, so der aktuelle Bericht der Behörde, was nicht gleichbedeutend mit der sofortigen Zulassung ist. Diese erfolgt in der Regel nach einigen Monaten durch die Europäische Kommission, die nur in den allerseltensten Fällen von diesen Empfehlungen abweicht.
Von diesen 114 Empfehlungen betrafen 46 neue Wirkstoffe, so Steffen Thirstrup, der Chief Medical Officer der EMA, im Januar. Krebs blieb 2024 das therapeutische Gebiet mit den meisten Zulassungen, gefolgt von Immunologie, Rheumatologie, Blut- und Gerinnungsstörungen sowie Endokrinologie, fügte er hinzu. Insgesamt wurden 28 Biosimilars zur Zulassung empfohlen, also biopharmazeutische Wirkstoffe, die einem Originalpräparat nachempfunden sind, dessen Patentlaufzeit abgelaufen ist. Unter den besonders innovativen Advanced therapy medicinal products (ATMPs) gab es im vergangenen Jahr jedoch nur eine einzige Zulassungsempfehlung: BEQVEZ (früher unter dem Namen Durveqtix in der Entwicklung), eine Einmal-Gentherapie von Pfizer zur Behandlung von moderater und schwerer Hämophilie B bei Erwachsenen.
Von den Zulassungsempfehlungen betrafen 15 sogenannte seltene Erkrankungen (orphan diseases), für deren Zulassungsverfahren eigene regulatorische Wege und Unterstützung gelten. Die EMA hebt hervor, dass unter den Zulassungsempfehlungen auch insgesamt 21 unter beschleunigten oder besonderen Bedingungen (PRIME, accelerated assessment, under exceptional circumstances) oder auch mit einer vorbehaltlichen Einschränkung (conditional market approval) ausgesprochen worden sind, was die Flexibilität und die Innovationsbereitschaft der Agentur unterstreiche.
Eine laufende Diskussion im Ausschuss für Humanarzneimittel dreht sich laut Thirstrup aktuell darum, ob kardiometabolische Indikationen im Zusammenhang mit Adipositas als neue Indikationen für GLP-1-Medikamente hinzugefügt werden sollten oder ob die klinischen Daten lediglich auf das Produktetikett gesetzt werden, damit verschreibende Ärzte über die neuesten Forschungsergebnisse informiert sind. Inzwischen testen mehrere Unternehmen Kandidaten, die in Kombination mit GLP-1-Medikamenten den Muskelerhalt fördern sollen, auch die Schlafapnoe wird im Zusammenhang mit solchen Wirkstoffen als Indikation verfolgt.
„Ich würde nicht ausschließen, dass einige Adipositas-Produkte auch in anderen Bereichen wie etwa der Krebs-Kachexie wirken könnten, aber wir müssen zuerst eine klare Krankheitsdefinition haben und wissen, wie wir Kachexie und Muskelschwund definieren. Danach muss das Unternehmen einen Effekt auf wünschenswerte Endpunkte nachweisen“, so Thirstrup und machte damit den Stand der Diskussion deutlich.
EMA vor FDA
Im Vergleich zur US-amerikanischen FDA hebt sich die EMA damit deutlich ab. Denn im Jahr 2024 hat die FDA nur 50 neue Arzneimittel zugelassen, ein Rückgang zum Rekordjahr 2023 mit damals 55 Zulassungen. Im vergangenen Jahr betrafen mehr als die Hälfte seltene Krankheiten (was in den USA bedeutet, dass weniger als 200.000 Menschen diesen Befund teilen). Ob die Pharmaindustrie diese kleineren Märkte ganz gezielt ansteuert, ist dabei nicht eindeutig zu beantworten, immerhin ziehen die Blockbuster der Diätspritzen die sehr viel größere Aufmerksamkeit im Gesundheitswesen auf sich.
In den USA stellt sich die Verteilung wie folgt dar: Die Onkologie führt mit 30% der Zulassungen, gefolgt von Fortschritten mit neuen Wirkstoffen in der Kardiologie, Dermatologie und Hämatologie (~10% jeweils). Im vergangenen Jahr dominierten in den USA die Small Molecules (64%) gegenüber 16 zugelassenen proteinbasierten Therapien.